Hype um glutenfreie Nudeln: Ja oder nein?

Glutenfrei hier, glutenfrei da. Immer mehr Menschen ernähren sich glutenfrei, obwohl sie das gar nicht müssten. Der Hype rund um glutenfreie Lebensmittel, darunter auch Nudeln, ist in aller Munde. Doch was ist Gluten eigentlich? Und muss man wirklich darauf verzichten?

Immer mehr menschen verzichten auf Gluten. Für manche ist das sinnvoll, für andere nicht.

Immer mehr menschen verzichten auf Gluten. Für manche ist das sinnvoll, für andere nicht.

Nicht nur die meisten Supermärkte haben inzwischen ein großes Angebot an glutenfreien Produkten, auch viele Restaurants nehmen sich diesem Thema an. In den meisten Getreidesorten, darunter auch Weizen, Roggen und Dinkel, befinden sich Eiweiße der Prolamin- und Glutelin-Gruppen. Erst, wenn sie nass werden und sich verbinden, entsteht Gluten. Natürlich gibt es auf der einen Seite viele Menschen, die ohne Grund auf Gluten verzichten. Das Gegenteil ist allerdings auch der Fall: Viele Menschen haben eine Glutenunverträglichkeit, wissen allerdings nichts davon.

Die Krankheit, über die wir reden, nennt sich Zöliakie. Damit erkrankte Personen vertragen das Eiweiß Gluten nicht. Verzehren sie es trotzdem, klagen sie über Durchfall, Übelkeit und Blähungen. Doch auch Schlafstörungen, Müdigkeit und Depressionen können die Folge sein. Da sich der Dünndarm im Rahmen der Zöliakie dauerhaft entzündet, kann der Körper die Nährstoffe nicht mehr wie gewohnt aufnehmen. Dadurch kommt es zu Mangelerscheinungen. Für die Erkrankten zieht das oft eine Farce nach sich: Keine Nudeln aus Hartweizengrieß, kein paniertes Fleisch, kein Bier, keine Pizza, keine Knödel, usw.

Hohe Dunkelziffer in Deutschland

Da in Deutschland nur 0,3 Prozent aller Menschen offiziell an Zöliakie erkrankt sind, gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer aus. In anderen europäischen Ländern befindet sich die Zahl inzwischen bei rund einem Prozent.

Die Technische Universität Dresden berichtet im „Ärzteblatt“ von einem Bluttest bei rund 12.000 Kindern und Jugendlichen. Die Antikörper-Werte im Blut deuteten bei 0,8 Prozent auf eine Zöliakie hin. Doch nur 0,07 Prozent erhielten die Diagnose. Ganz repräsentativ ist der Test allerdings nicht, da in der Praxis eigentlich Darmbiopsien notwendig sind, um die Diagnose unterstreichen zu können. Laut einer Untersuchung der privaten Krankenversicherung DKV, die SPIEGEL ONLINE vorliegt, waren es 2010 „nur“ 1462 Versicherte, die an Zöliakie erkrankten. 2014 waren es schon 2276.

Verzicht auf Gluten nicht unbedingt förderlich

Ob es für Erkrankte, welche die Beeinträchtigungen der Zöliakie nicht so stark zu spüren bekommen, letztlich ein Vorteil ist, auf Gluten zu verzichten, darüber sind sich Experten uneinig. Ein Nährstoffmangel könnte zum Beispiel den Knochenschwund im Alter beschleunigen. Auch das Risiko, dass sich ein Lymphom (Krebs) im Darm entwickelt, steigt. Wer vermutet, unter Zöliakie zu leiden, der sollte einen Arzt aufsuchen und einen Antikörper-Test durchführen lassen. Einfach auf Gluten zu verzichten, scheint keine Lösung zu sein. Denn der Nachweis der Zöliakie ist nach längerem Verzicht auf Gluten schwierig. Auch wer sich nach dem Glutenverzicht besser fühlt, hat keine Garantie auf die Zöliakie.